Tödlicher Pilgerpfad
Er kann nicht nur schreiben, er kann auch sprechen: Das stellt Kasten Dusse in "Achtsam Morden am Rande der Welt" unter Beweis. Darin schickt er nicht nur den achtsamen Anwalt Björn Diemel zum nunmehr dritten Mal auf Abenteuer und lässt Alltagssituationen zu haarsträubenden, mörderischen und die Lachmuskeln attackierenden Begebenheiten werden, er hat die Hörbuchversion auch selbst eingesprochen und muss sich dabei keineswegs hinter den Leistungen von Profi-Sprechern mit Schauspielerfahrung verstecken. Dass es für die Hörer wieder neue Achtsamkeitsregeln und -ratschläge gibt, versteht sich dabei von selbst.
Doch worum geht es diesmal, nachdem Diemel doch eigentlich die Leichen allmählich ausgehen müssten? Und nicht nur das, der Anwalt hatte Morden und Leichen ja schon im zweiten Band der Reihe abgeschworen. Beides bedrohten sowohl sein inneres Gleichgewicht als auch das seines inneren Kindes. Doch natürlich kommt alles wieder ganz anders. In „Achtsam morden am Rande der Welt.“ gelangt Diemel zwar zu mancherlei neuen Einsichten, doch Tote säumen einmal mehr den Weg des Juristen, der zugleich der Vorstand zweier Mafiagruppen ist.
Diemels Achtsamkeitstrainer Joschka Breitner reichte eine
zusätzliche Verspätungsminute, um zu erkennen, dass sein Klient allen
Atemübungen zum Trotz mal wieder unterwegs zu einer inneren Krise ist, sich zu
oft fremdbestimmen lässt und seine eigenen Wünsche ignoriert. Eine Pilgertour
auf dem Jacobsweg soll dem Anwalt helfen, die innere Balance wieder zu finden.
Einen Pilgerratgeber mit den üblichen sanften Lebenstipps gibt er ihm auch noch
mit auf dem Weg. Diemel muss nur noch seiner kleinen Tochter übersetzen, wie lange so ein Pilgermonate umgerechnet in
Bibi und Tini-Folgen ist.
Wie bereits in den beiden Vorgängerbänden lässt Dusse seinen
achtsamen Helden von einer Krise in die nächste taumeln. Zwar startet die
Wanderung nach Santiago de Compostela vielversprechend, ein sympatischer
Mit-Pilger entpuppt sich als ehemaliger Staatsanwalt, der sich mit dem Weg
einen letzten Wunsch erfüllt. Andere Weggefährten sind weniger angenehm, wie
der Möchtegern-Hemingway, der andere Pilger erpresst, weil er die Briefe der
Pilgerpost aufgebrochen hat. Wie dumm, dass auch Diemel, wenn auch unter
Pseudonym, in seinem Pilgerbrief zu viel über seine Rolle am frühzeitigen Ende
mehrerer Leben geschrieben hat, als ihm lieb sein kann. Muss er seinem Vorsatz,
nicht mehr zu töten, untreu werden?
Zuvor allerdings muss Diemel sein eigenes Leben erhalten.
Denn gleich zu Beginn seines Weges häufen sich Vor- und Todesfälle, die kein
Zufall mehr sein können. Wer versucht, ihn ins Jenseits zu befördern –
chinesische Triaden, ein verrückter Serienmörder, der es auf Pilger abgesehen
hat, oder wer sieht rot auf dem Jacobsweg? Traurige Nachrichten erreichen ihn
auch aus der Heimat: Die Kaninchen seiner kleinen Tochter sind vergiftet
worden. Droht auch seinen Lieben Gefahr?
Die Parallelhandlungen zwischen Jacobsweg, Diemels
Mafia-Verbindungen und der Beziehung zu seiner Ex und ihrem neuen Freund führen
zu einigen Längen und Staus im Lesefluss. Trotzdem geht die launige Mischung
wieder auf: Achtsamkeit einerseits, der tödliche Wahnwitz, mit dem sich der
pilgernde Anwalt auseinandersetzen muss andererseits. Lösungsorientiert und mit
liebevoller Achtsamkeit muss sich Diemel ans einstige Ende der Welt begeben,
ehe er zur finalen Erkenntnis gelangen kann. Bis dahin warten auf die Leser
reichlich schwarzer Humor und auch ironischer Umgang mit mancherlei politischer
Korrektheit – und natürlich Achtsamkeitsratschläge am Beginn jedes Kapitels.
gelesen von Karsten Dusse
Random House Audio, 2021
Leicht gekürzte Fassung, 6 Stunden 17 Minuten
9783837155273
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