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Showing posts from January, 2023

Tod eines It-Girls

 Die Buchhändlerin Hannah aus Edinburgh könnte sich eigentlich auf ihr erstes Kind freuen, doch eine Nachricht ruft die verdrängte Vergangenheit zurück: Der Mann, der als Mörder ihrer Zimmernachbarin im College zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, ist im Gefängnis gestorben. Er hatte stets seine Unschuld betont und es war Hannahs Aussage gewesen, die in dem Indizienprozess entscheidend zu seiner Verurteilung beigetragen hatte. Ein Journalist, der es schafft, zu Hannah vorzudringen bringt ihre Sicherheit, dass der Pförtner der Mörder des schönen, reichen und launischen It-Girl April war, ins Wanken. Was, wenn sie einen Unschuldigen hinter Gitter gebracht hat? Und wenn es so war - war der Mörder oder die Mörderin einer der damals besten Freunde ihrer College Clique? Ruth Wares Psychothriller "Das College" verläuft auf den Erzählperspektiven "davor" und "danach"- mit dem Mord an April als Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Ruth Ware ist mir als Autor

Zeugnisse des Grauens und des Massenmords

 Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee das deutsche Vernichtungslager Auschwitz. Die Krematorien waren zu diesem Zeitpunkt bereits gesprengt, die Mehrheit der Häftlinge auf den berüchtigten Todesmärschen weiter westlich getrieben worden und diejenigen, die als krank und schwach zurückgelassen worden waren, verdankten ihr Überleben dem schnellen Vormarsch der sowjetischen Truppen. Denn eigentlich sollten keine Zeugnisse der deutschen Verbrechen übrigbleiben. Ein ganz besonderes Zeugnis, gewissermaßen der letzte Blick auf die Opfer, sind die Briefe des sogenannten Sonderkommandos. Ihm gehörten Häftlinge an, die an den Gaskammern, in den Krematorien von Auschwitz arbeiten mussten, die sahen, was andere Insassen zwar wussten, was sie aber erst dann sahen, wenn sie selbst zu den "Duschen" befohlen wurden.  Als Mitwisser und Augenzeugen waren auch die Mitglieder des Sonderkommandos Todeskandidaten, wie ihnen selbst nur zu klar war. Einige versuchten, Zeuge zu sein f

Kulturclash und Serienmord

 Von "Indianerromantik" kann in Frauke Buchholz´Debütroman "Frostmond" keine Rede sein, auch wenn es um die Welt der Indigenen im heutigen Kanada geht, ganz besonders der Cree Indianer im Norden Quebecs. Hierher bricht der meist mürrische und mit zahlreichen Vorurteilen behaftete Profiler Ted Garner aus der Prärieprovinz Saskatchewan auf sich.  Mit dem frankokanadischen Polizisten LeRoux von der Sureté in Montreal bildet er nicht gerade ein Ermittlerduo, bei dem die die Chemie stimmt: LeRoux steckt mitten in der Midlifecrisis, nimmt es mit der Arbeitsmoral nicht so genau und verbringt während eines angeblichen Zahnarzttermins in der Mittagspause die Zeit auch schon mal in einem Stundenhotel mit einer Affäre. Garner ist für ihn eine Spaßbremse. Und französisch spricht der Anglokanadier auch nicht. Doch angesichts ihres Falls müssen die beiden ihre Animositäten beiseite legen. In Montreal ist im St Lorenz Strom die Leiche einer jungen Indianerin angeschwemmt worden, m

Im Dunkel der Antarktisnacht

 Eigentlich ist es schwer, von einem locked room mystery zu sprechen, wenn der Schauplatz der Handlung für unendliche Weite steht. Doch in Emma Haughtons Antarktis-Krimi "The Dark" sind die Charaktere abgeschlossen vom Rest der Welt in einer Forschungsstation im antarktischen Winter. Da kann niemand rein und niemand raus, draußen herrscht vier Monate lang völlige Dunkelheit, wenn man mal von Sternen und gelegentlichen Polarlichtern absieht. Keine Umgebung also für Menschen mit Platzangst oder Furcht vor dem Dunkeln. Ein denkbar schlechter Arbeitsplatz also für die englische Notärztin Kate, die sich im antarktischen Winter von den Dämonen der Vergangenheit befreien will. Nach einem schweren Verkehrsunfall fühlt sie sich wegen der Narbe im Gesicht verunstaltet, ihre Beziehung ist gescheitert und sie ist tablettenabhängig.  Nicht die besten Voraussetzungen für ein Leben mit nur zwölf anderen Menschen, mit denen man irgendwie auskommen muss, ohne viele Abwechslungsmöglichkeiten u

Frauen ohne Männer

In meinem langen Leseleben hatte ich mit Sachbüchern in Hörbuchform bisher keine Erfahrung.  Mit Katja Kullmanns "Die singuläre Frau" hat sich das nun geändert - und nicht nur inhaltlich hat mich diese Form, gelesen von Anna Maria Mühe, voll überzeugt. Gewiss, in einem Buch lässt sich vieles einfacher noch einmal nachlesen, zu den Fußnoten blättern, die weiterführenden Hinweise gleich einmal ausloten. Doch auch in der Hörversion ist dieses Plädoyer für eine andere Sicht auf Frauen, die nicht als Teil eines Paares durchs Leben gehen, eine bereichernde Erfahrung. Katja Kullmann hat ein intelligentes, mitunter ironisch zuspitzendes, gründliches und durchaus aufklärerisches Buch geschrieben, das auch gleich ein Stück Frauengeschichte und feministische Geschichte ist. Frauen, die ohne Partner leben - jedenfalls wenn es sich nicht um ein kurzes Intermezzo zwischen zwei Beziehungen handelt - kennen die Zuschreibungen, die in der Regel deutlich negativer sind als für allein lebende M

Gangster-Roman wie eine griechische Tragödie

 Der fatale Sog einer schönen Frau, Eifersucht und obsessive Liebe, Vater-Sohn-Konflikte und zerbrechende Freundschaften, die in Tod und Blutvergießen enden: Der Auftakt von Don Winslow´s Triologie um einen irischen Gangsterclan hat es in sich. "City on Fire" spielt nicht nur mit Zitaten  aus "Der Pate", schon die den einzelnen Abschnitten vorangestellten Zeilen von Homer und Virgil machen klar: dieses Gangsterepos hat etwas von einer griechisches Tragödie und der Trojanische Krieg zwischen den Murphys und den Morettis findet diesmal auf Rhode Island statt. Als Soundtrack glaubt man beim Lesen fast den frühen Bruce Springsteen im Hintergrund zu hören: Blue Collar Rock and Roll, der Abgesang auf den Amerikanischen Traum, während die Werften und Fabriken immer weniger das Einkommen sichern. Dabei ist der Job im Hafen nicht wirklich der  Haupterwerb des Protagonisten Danny Ryan. Er treibt für seinen besten Freund Pat Schulden und Schutzgelder ein, ist mit dessen Schwes