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Showing posts from July, 2021

Ein Star in seiner Dämmerung - Es war einmal in Hollywood

 Meist steht am Anfang das Buch, dann kommt die Verfilmung. Und möglicherweise wird die literarische Grundlage als "Buch zum Film" beworben. Wenn der Autor Quentin Tarantino heißt, ist es allerdings umgekehrt: Erst der Film. Dann gibt es noch ein Buch dazu. Und bei "Es war einmal in Hollywood" ist nicht zu übersehen, dass der Verfasser vom Film kommt. Wie eine lange Kamerafahrt wirken viele seiner Abschnitte, andere wie ausführliche Regieanweisungen.  Auch wenn das (Hör-)Buch nicht verbergen kann, dass Tarantino ein Augenmensch ist - die Gewaltexzesse seiner Filme können auf Buchseiten einfach nicht dieselbe Dynamik entfalten. Das heißt nicht, dass es in dem Roman nicht ebenfalls blutig zugeht. Mit geplatzten Träumen und dem Abgesang auf die Zeit der großen Genre-Stars liegt zudem ein gewisser Hauch an Melancholie (und Alkoholnebel) über der Handlung. Da träumt der Fernsehserien-Westernschurke Rick Dalton vom Ruhm auf der großen Leinwand, aber es muss die amerikanis

Murr und Schnurr - Hape Kerkeling als Katzenflüsterer

 Dass Hape Kerkeling nicht nur Humor kann und auch ernste und verletztliche Seiten zeigt, ist spätestens seit "Ich bin dann mal weg" bekannt. Mit "Pfoten vom Tisch" zeigt er sich wieder von einer anderen Seite. In dieser Mischung aus Sachbuch und durchaus humorvoller Haustier-Autobigrafie zeigt sich Kerkeling als Katzenflüsterer und Versteher, als einer, der die Liebe zu den Samtpfoten nicht nur mit seinen Hörern teilen möchte, sondern ihnen auch dabei helfen will, die bestmögliche Katzenmamas und -papas zu sein - zum Wohle von Schnurri, Minka und wie sie alle heißen mögen. Dass er selber ein Katzenmensch ist, der Hunde zwar toleriert, aber nie so richtig den Draht zu ihnen finden konnte, das gibt Kerkeling gleich im Vorwort zu. Und das Katzen eigentlich ohnehin die höheren Lebewesen seien, von denen wir Menschen nur lernen können. Wie unwahr das Vorurteil sei, dass Katzen keine Bindungen zu ihrem Menschen entwickeln können. Im Laufe des Hörbuchs, dass eine große Li

Mafia, Menschenhändler und ein Commissario mit einer Mission

Wolfgang Schorlau und Claudio Caiolo sorgen mit "Der Tintenfischer" für jede Menge Spannung so viel schon mal vorneweg. Allerdings war ich als Hörerin mitunter abgelenkt. Einmal, weil der Magen knurrte - denn die Autoren sparen nicht mit Essen und Trinken. Immer wieder muss Commissario Morello ein starker Espresso auf die Sprünge helfen und bei den Besprechungen mit seiner Kollegin Anna Klotze ist immer wieder frische Pasta angesagt. Der sizilianische Polizist, der sich in Venedig im ungeliebten Exil fühlt, will seiner Heimat wenigstens in der Küche verbunden bleiben. Der Leser schnuppert und schmeckt mit. Und dann ist da noch die Stimme von Dietmar Wunder, dem Sprecher des Hörbuchs (und übrigens auch die deutsche Stimme von James Bond-Darsteller Daniel Craig). Den kannte ich vorher nicht, aber von dieser wunderbar warmen  und angenehmen Stimme kann man sich einhüllen lassen wie von einer Kuscheldecke. Da löst der Klang dann manchmal nur solche Schnurgefühle aus, dass der Inh

Zwei Frauen und ihre Toten - "Schicksal"

 Zeruya Shalevs Roman heißt "Schicksal", aber er könnte genausogut "Schweigen" heißen, denn ihre Protagonistinnen haben sich in ihrem Leben und in ihren Beziehungen vielleicht allzu sehr mit Schweigsamkeit, Verschweigen und Sprachlosigkeit eingerichtet. So steht die Architektin Atara vor verschlossener Tür, als sie die über 90jährige Rachel besucht, um Antworten zu finden, die sie seit ihrer Kindheit umtreiben. Die beiden Frauen haben sich nie zuvor getroffen. Sie gehören zwei Generationen an und könnten kaum unterschiedlicher sein: Atara, fast 50, gehört zu den städtischen Intellektuellen Israels, lebt mit ihrer Patchworkfamilie in der Hafenstadt Haifa, ihre beste Freundin und Büropartnerin ist eine arabische Israelin.  Rachel dagegen lebt in einer Siedlung in der Wüste, in den besetzten Gebieten - eine Tatsache, die immer wieder zu Streit mit ihrem ältesten Sohn führt, der die Siedlungspolitik und die Besatzung palästinensischer Gebiete strikt ablehnt. Ihr jüngere