Mafia, Menschenhändler und ein Commissario mit einer Mission

Wolfgang Schorlau und Claudio Caiolo sorgen mit "Der Tintenfischer" für jede Menge Spannung so viel schon mal vorneweg. Allerdings war ich als Hörerin mitunter abgelenkt. Einmal, weil der Magen knurrte - denn die Autoren sparen nicht mit Essen und Trinken. Immer wieder muss Commissario Morello ein starker Espresso auf die Sprünge helfen und bei den Besprechungen mit seiner Kollegin Anna Klotze ist immer wieder frische Pasta angesagt. Der sizilianische Polizist, der sich in Venedig im ungeliebten Exil fühlt, will seiner Heimat wenigstens in der Küche verbunden bleiben. Der Leser schnuppert und schmeckt mit.

Und dann ist da noch die Stimme von Dietmar Wunder, dem Sprecher des Hörbuchs (und übrigens auch die deutsche Stimme von James Bond-Darsteller Daniel Craig). Den kannte ich vorher nicht, aber von dieser wunderbar warmen  und angenehmen Stimme kann man sich einhüllen lassen wie von einer Kuscheldecke. Da löst der Klang dann manchmal nur solche Schnurgefühle aus, dass der Inhalt des Textes fast in Vergessenheit gerät.

Doch "Der Tintenfischer" hält sich nicht nur beim guten italienischen Essen auf. Hier steckt auch viel Aktualität drin. Nicht nur, weiles um organisierte Kriminalität, Menschenhandel und die Netzwerke der Schleuserbanden geht. Auch die Coronapandemie wird in die Handlung eingebaut, sei es mit dem gerade zu Ende gehenden Lockdown in Italien und den allgegenwärtigen Masken, sei es mit Corona-Betrügern, die in der Krise alte Menschen um ihre Ersparnisse bringen wollen. 

Nicht die Pest sucht Venedig heim, doch immerhin eine Pandemie. Dabei ist die Stadt gerade schöne denn je - keine Touristenmassen, klares Wasser in den Kanälen. Doch Morello hat dafür keinen Blick, ebenso wenig für die Campos und Kirchen zwischen den verwinkelten Gassen, in denen er sich nach wie vor verirrt. Der Mafia-Ermittler ist zu seinem eigenen Schutz in den Norden versetzt worden - doch noch immer will er dem Boss der Bosse nachstellen.

Eine Gelegenheit sieht er, als seine Kollegin Anna Klotze einen jungen Afrikaner nach einem Selbstmordversuch vor dem Ertrinken rettet. Daniel, der aus Nigeria stammt, hat sich in seiner Heimat mit einem "Kult" eingelassen, der ihn nach Europa brachte und mit der sizilianischen Mafia zusammenarbeitet. David ahnte nicht, dass statt des erhofften Paradieses und einer hoffnungsvollen Zukunft Sklavenarbeit auf ihn wartete. Mehr noch: Er sorgt sich um seine Freundin, die vermutlich zur Prostitution gezwungen wurde.

Hat Morello mit der Mafia noch eine Rechnung offen, ist Klotze im Team der Polizisten diejenige, die sich besonders für humanitäre Themen einsetzt. Die beiden brechen auf nach Sizilien, um Davids Freundin zu suchen. Da Morello in Sizilien in Lebensgefahr ist, muss die Reise geradezu konspirativ stattfinden. Denn in einer Region, in der die Mafia tief in der Gesellschaft und in den Behörden Fuß gefasst hat, kann Morello (fast) niemandem trauen. Die Reise zurück zu den Wurzeln soll denn auch dramatisch werden und wird den Commissario ins Grübeln bringen - auch mit Blick auf seine Zukunft. Fortsetzung folgt?



Wolfgang Schorlau, Claudio Caiolo, Der Tintenfischer

gesprrochen von Dietmar Wunder

Argon Hörverlag, 2021

9783839818565

Comments

Popular posts from this blog

Gelungenes Doppel - Mascha Kaleko, gelesen von Katharina Thalbach

Hulda Gold auf der Roten Insel

Sylt-Cozy mit wunderbarer Erzählerin